Landung auf Kythera
Skulpturengarten "Dämonen Mensch - Mensch Götter" 04.05.-31.07.2001, Englischer Garten Meiningen
(gemeinsam mit Margit Meyer)


In Antoine Watteaus "Einschiffung nach Kythera" "verschmilzt die panisch-dryadisch-oreadische Welt der Bäume und Berge, der Nymphen und Hirten mit einem idealisierten gesellschaftlichen Leben, und mit Elementen aus der Traumwelt des Theaters verschmelzen Natur, Kunst und Liebe zu einem mystisch-irdischen Paradies ewiger Jugend, Anmut und verklärter Sinnlichkeit." (dumont, Rokoko)
Im Gegensatz dazu beschreiben wir die reale Ankunft auf der leeren Insel hinter dem Theaterrestaurant. Auf ihr scheint ein Mensch gestrandet zu sein: ein halb gesunkenes Schiff ragt am Ufer aus dem Wasser, um eine Feuerstelle herum liegen verstreut Getränkebehälter, Kleidungsstücke, Zeitschriften und eine Person scheint andeutungsweise unter Decken in einem Zelt zu liegen. Mit dieser Bearbeitung sehen wir sowohl Bezüge zu mythischen Themenkreisen, wie den zum Fluß Styx, als auch Anklänge an Charles Baudelaires "un voyage à cythère". Die Installation zeigt das Scheitern eines Menschen, seine Einsamkeit und sein Ausgeschlossensein von der Welt. Durch das geborstene Schiff ist eine Rückkehr in die Gesellschaft nicht möglich. Die Sehnsucht nach der rauschhaft-erotischen Traumwelt ist zu einem Gefängnis der eigenen Süchte und Surrogate geworden.

 

Oh, Gott! Mensch! Kunst!

Aufregend und aggressiv: Meininger Skulpturengarten fasziniert und irritiert

Die Ruhe im Englischen Garten ist hin. Künstler haben ihn besetzt. Bürger sind entsetzt. Die Stadt ist entzweit. Dem Wagnis Wagner folgt der Störfall Kunst.
Hinter dem Meininger Theater, im englischen Garten, wächst seit Anfang Mai ein Skulpturengarten. 40 Künstler aus Hessen und Thüringen sind eingeladen worden, mit Objekten, Installationen, Plastiken, Skulpturen und Mobiles die Landschaft zu bespielen. Auf Zeit visuelle Zeichen auf den Wiesen, im Wasser und ihn den Wipfeln zu setzen. Über künstlerische und geographische Grenzen hinweg treffen sich Menschen gleicher Provenienz. Und sie treffen auf Menschen in einer kleinen, feinen Kulturstadt, die distanziert und animiert das treiben im Garten verfolgen. Das Kunstprojekt "Dämonen Mensch - Mensch Götter" knüpft an den Meininger "Ring" an, umringt vom Englischen Garten her, das Theater. Ein künstlerischer, organisatorischer und finanzieller Kraftakt, zwar nicht vergleichbar mit der Inszenierung, der aber ebenso starke Partner braucht und gefunden hat. Mit der Stadt, dem Theater, dem Kunstförderer der Sparkassenversicherung Hessen-Thüringen ART-regio, den Kunststationen im benachbarten Kleinsassen und Oepfershausen. Und nicht zuletzt mit Gernot Ehrsam aus Kaltennordheim, dem Kurator des Projekts und beteiligter Künstler, der im besten Sinne des Wortes als verrückt gelten darf, weil er sich diese Last aufbürdet. Der Künstler Invasion sorgt für öffentliche Irritationen und gezielte Aggressionen. Bei Lichte betrachtet fasziniert der so besetzte Garten durch immer neue und andere Begegnungen zwischen Kunst und Natur. Im Dunkel der Nacht entladen sich Zerstörungswut und Gewalt an den Kunstwerken. Und skurrile Geschichten machen die Runde. Beispielsweise über die wilden Camper auf der kleinen Insel hinter dem Theaterrestaurant. Da steht tatsächlich ein Zelt. Pennt da einer drin? Im Baumwipfel hängt eine weiße Gestalt. Blechbüchsen vermüllen das Eiland. Ein gestrandetes Boot liegt verlassen am "Strand". Bürger informieren das städtische Ordnungsamt über die illegalen Inselbesetzer. Oh Gott! Ihr Menschen! Das ist ein Kunstwerk! "Landung auf Kythera" nennen Margit Meyer und Franz Waldemar Rösch aus Mellrichstadt, gemeinsamer Künstlername Hansgretekunst, Ihre Installation. Über Sinn und Sinnlichkeit, Bezüge zur griechischen Mythologie und zu Antoine Watteau sowie die Sicht der Künstler auf ihr Kunstwerk gibt ein kleines Infoblatt komprimiert Auskunft. Das findet der aufmerksame Betrachter gut sichtbar jenseits der Insel, kann es mitnehmen oder gleich lesen. Die Information und Interpretationen annehmen oder verwerfen. Hauptsache, er nimmt Anteil. Das ist der erste Schritt, sich konstruktiv mit der Kunst im Garten auseinander zu setzen...

Dr. Michael Plothe, Erfurt, Freies Wort, 20. Mai 2001